Irgendetwas ist hier noch nicht im Lot.
Und ich glaube, ich beginne zu spüren, was es ist...
Béla Löwenherz
Am Anfang meines Schreibens im Internet (2007) stand der Wunsch, unser
neues Leben mit Bela zu reflektieren, sich mit anderen Familien
auszutauschen, dann sehr bald auch aufzuklären und für Toleranz zu
werben. Ich wollte meinen Beitrag dazu leisten, dass unsere Gesellschaft
besser informiert, offener und ohne Berührungsängste auf Menschen wie
Béla zugeht, sie in ihre Mitte nimmt und ihre Stärken erkennt. Immer
mehr war ich mit dem Thema der pränatalen Diagnostik und ihren fatalen
Auswirkungen konfrontiert. Es hat mich erschreckt und mir sehr weh
getan, dass 90% aller Babys abgetrieben werden, bei denen noch in der
Schwangerschaft das Downsyndrom festgestellt wird. Was macht den
Familien, den Frauen, die sich auch ihr Kind freuen, so viel Angst, dass
sie diesen furchtbaren Schritt gehen?
Die Auseinandersetzung mit diesen Themen und ab und zu kleine Einblicke in Bélas Leben prägten die Internetseite
www.bela-loewenherz.de, die ja auch weiterhin noch existiert.
Die Zeit, die uns gegeben ist
Dann wurde ich 2010 schwanger mit Valentina, unserem vierten Kind. Und
schon in der 14. Schwangerschaftswoche kam mit der ersten
Ultraschalluntersuchung die schockierende Diagnose: Anencephalie. Wir
erfuhren, dass unser Baby sterbenskrank war und entweder vor, während
oder kurz nach seiner Geburt sterben würde. Wenige Tage nach der
Diagnose habe ich einen geschlossenen Blog begonnen, zuerst nur für mich
allein, dann nach und nach habe ich besondere Menschen dazu eingeladen,
ihn zu lesen. Mit dem Beginn von Valentinas Blog habe ich das Schreiben
auf Bela Löwenherz quasi eingestellt. 1,5 Jahre lang war "Die Zeit, die
uns gegeben ist", der Raum für mein innerstes Denken und Fühlen, für
Valentinas Leben und Sterben, für mein Über- und Weiterleben. Ich habe
eine ganz neue, wunderbare Qualität des Schreibens entdeckt.
Aber das
Grösste war die Gemeinschaft, die dort entstanden war. Es war Valentinas
Haus und in diesem Haus war irgendwie eine Intensität von Nähe und
Vertrauen entstanden, zwischen ganz verschiedenen Menschen, mit denen zusammen wir
durch schwärzeste Nacht und hellstes Leuchten gegangen sind. Eine
besondere Familie.
Dieser Gemeinschaft gegenüber gab es von mir aus (obwohl dort immerhin fast 100 Menschen mitlasen) so gut wie keine Grenze. Ich habe dort "einfach" das geschrieben, was aus meiner Seele so herausfloss. Etwa um die Zeit von Valentinas erstem Geburts- und Todestag hörte dann etwas für mich auf. Die Intensität des Bedürfnisses ließ nach.
Das Leben hatte mich wieder, wie man so schön sagt. Valentinas Haus steht immer noch da. Heute ist es ein stiller Ort geworden. Ab und zu besuche ich ihn und es fühlt sich an, wie das Umhergehen in einem friedlichen, lichten, alten Haus, das über seine Geschichten wacht. Es hat schöne, helle Zimmer, enge Stiegen, dunkle Keller, feierliche Säle. Es ist ein Geburthaus, ein Mausoleum und eine Kirche. Es ist ein Zuhause. Auch Andere streifen dort manchmal noch herum und hinterlassen hier und da ein Kommentarblümchen, das ist schön. Und manchmal gebe ich auch jemandem den Schlüssel, der nicht dabei war. Das werde ich auch weiter so halten. Denn Valentinas Geschichte sollte eigentlich der ganzen Welt zugänglich sein. Nur bin ich bisher einfach nicht mutig genug, diese Tür einfach ganz zu öffnen.
Wer aber gern hinein möchte, der möge sich bei mir melden.
Béla Löwenherz 2.0
Nun möchte ich schon lange den Raum von Béla Löwenherz wieder mit neuem Leben füllen.
Denn mit Béla gehen wir ja weiter, es gibt Geschichten zu erzählen,
immer weiter gilt es Barrieren abzubauen, das Schöne zu teilen, das Béla
in unsere Welt bringt, vielleicht auch die Sorgen und Ängste, die wir um ihn haben.. Es wäre wichtig und gut. Die "alte" homepage hat ein ungünstiges Format und so bin ich ja ganz motiviert "neu" bei blogger gestartet.
Es ist eigentlich alles ganz klar, nur finde ich meine
Sprache nicht so richtig wieder.
Ich kann nicht zurückkehren zu der Zeit vor Valentinas Haus. Ich muss mich neu finden. Wie schreibe ich, wenn ich ganz öffentlich schreibe? Was gebe ich preis und was nicht?
Es muss ein neuer Weg sein. Offener und persönlicher als früher und dennoch vorsichtiger als zuletzt.
Ich taste mich vor. Dieses hier ist ein Schritt.