Dienstag, 8. April 2014

Bittersüßes Bonbon - sag brav danke!

Sie haben sich geeinigt!
Heute war die Inklusion in aller Munde: Schon beim ersten Kindergartentransport heute morgen konnte ich es im Radio hören. Der Durchbruch im Streit um die Inklusion in NRW ist endlich da.
Monatelang haben das Land und die Kommunen sich erbittert um die Finanzierung gestritten.
Jetzt ist die Einigung also da und anscheinend ist das Ergebnis auch ganz ermutigend für die Kommunen und somit auch für uns und unsere Kinder.
So weit so gut. Ein Grund zum Feiern?

Wir müssen dankbar sein. Dankbar, dass das nun endlich geklärt ist. Dankbar, dass die Kommunen nun relativ gut ausgestattet sind. Dankbar, dass Béla 2007 geboren und dann noch um ein Jahr zurückgestellt worden ist, so dass er nun zur Einschulung gerade zu dem ersten Jahrgang gehört, der in NRW einen Rechtsanspruch auf gemeinsamen Unterricht hat. Überhaupt dankbar, dass man unser Kind jetzt nicht mehr ausschliessen darf....

Irgendwie werde ich einen etwas bitteren Unterton nicht los. Es mag an der Verhältnismäßigkeit liegen. Während alle anderen Vorschulkinder sich seit September auf ihre Schule vorbereiten, wissen wir immer noch nicht, wo Béla im August eingeschult werden wird. Klar, alle Beteiligten arbeiten (sehr nett und wohlwollend!) auf eine inklusive Lösung hier bei uns im Dorf hin. Aber es ist nicht entschieden und niemand weiss, wann es entschieden sein wird. Eigentlich müsste ich mein Kind, ausgerechnet mein Kind, jeden Tag mit zur Schule nehmen und sie ihm zeigen, ihn langsam mit dem Ort vertraut machen. Ihm eine Perspektive geben, mit der er umgehen lernen, an die er sich langsam herantasten kann. Eigentlich müsste die Schule sich Monate oder Jahre auf diese Situation vorbereiten können.

Seit Bélas Geburt vor sechseinhalb Jahren verfolge ich das Thema und konnte sehen, wie die Inklusion (glücklicherweise unausweichlich) auf uns zu kam. Und ich habe mich gespannt gefragt, wie das wohl wird. Was dann wohl unternommen wird. Ich habe mich gefreut, auf innovative pädagogische Konzepte. Aber die Jahre sind verstrichen und von Konzepten, Schulungen, pädagogischem Werkzeug, von egal welcher Art organisiertem Wandel hat man nie was gehört.
Ich fürchte, es gibt aus gutem Grund bis heute nichts zu hören, weil es da nichts zu hören gibt.

Was wir hören ist: kurz vor Ostern ist der Streit darum abgeschlossen, wer was und wieviel bezahlen soll. Dieser Streit hat Monate lang gedauert. Jetzt ist er vorbei. Im August geht mein Kind dann in irgendeine Schule.
Na dann.... haben wir ja jetzt noch reichlich Zeit für den konzeptionellen und organisatorischen Teil der Inklusion.

Doch, ich freu mich.


Freitag, 4. April 2014

Auf der Suche nach der Sprache

Irgendetwas ist hier noch nicht im Lot.
Und ich glaube, ich beginne zu spüren, was es ist...

Béla Löwenherz

Am Anfang meines Schreibens im Internet (2007) stand der Wunsch, unser neues Leben mit Bela zu reflektieren, sich mit anderen Familien auszutauschen, dann sehr bald auch aufzuklären und für Toleranz zu werben. Ich wollte meinen Beitrag dazu leisten, dass unsere Gesellschaft besser informiert, offener und ohne Berührungsängste auf Menschen wie Béla zugeht, sie in ihre Mitte nimmt und ihre Stärken erkennt. Immer mehr war ich mit dem Thema der pränatalen Diagnostik und ihren fatalen Auswirkungen konfrontiert. Es hat mich erschreckt und mir sehr weh getan, dass 90% aller Babys abgetrieben werden, bei denen noch in der Schwangerschaft das Downsyndrom festgestellt wird. Was macht den Familien, den Frauen, die sich auch ihr Kind freuen, so viel Angst, dass sie diesen furchtbaren Schritt gehen?
Die Auseinandersetzung mit diesen Themen und ab und zu kleine Einblicke in Bélas Leben prägten die Internetseite www.bela-loewenherz.de, die ja auch weiterhin noch existiert.

Die Zeit, die uns gegeben ist

Dann wurde ich 2010 schwanger mit Valentina, unserem vierten Kind. Und schon in der 14. Schwangerschaftswoche kam mit der ersten Ultraschalluntersuchung die schockierende Diagnose: Anencephalie. Wir erfuhren, dass unser Baby sterbenskrank war und entweder vor, während oder kurz nach seiner Geburt sterben würde. Wenige Tage nach der Diagnose habe ich einen geschlossenen Blog begonnen, zuerst nur für mich allein, dann nach und nach habe ich besondere Menschen dazu eingeladen, ihn zu lesen. Mit dem Beginn von Valentinas Blog habe ich das Schreiben auf Bela Löwenherz quasi eingestellt. 1,5 Jahre lang war "Die Zeit, die uns gegeben ist", der Raum für mein innerstes Denken und Fühlen, für Valentinas Leben und Sterben, für mein Über- und Weiterleben. Ich habe eine ganz neue, wunderbare Qualität des Schreibens entdeckt.
Aber das Grösste war die Gemeinschaft, die dort entstanden war. Es war Valentinas Haus und in diesem Haus war irgendwie eine Intensität von Nähe und Vertrauen entstanden, zwischen ganz verschiedenen Menschen, mit denen zusammen wir durch schwärzeste Nacht und hellstes Leuchten gegangen sind. Eine besondere Familie.
Dieser Gemeinschaft gegenüber gab es von mir aus (obwohl dort immerhin fast 100 Menschen mitlasen) so gut wie keine Grenze. Ich habe dort "einfach" das geschrieben, was aus meiner Seele so herausfloss. Etwa um die Zeit von Valentinas erstem Geburts- und Todestag hörte dann etwas für mich auf. Die Intensität des Bedürfnisses ließ nach.
Das Leben hatte mich wieder, wie man so schön sagt. Valentinas Haus steht immer noch da. Heute ist es ein stiller Ort geworden. Ab und zu besuche ich ihn und es fühlt sich an, wie das Umhergehen in einem friedlichen, lichten, alten Haus, das über seine Geschichten wacht. Es hat schöne, helle Zimmer, enge Stiegen, dunkle Keller, feierliche Säle. Es ist ein Geburthaus, ein Mausoleum und eine Kirche. Es ist ein Zuhause. Auch Andere streifen dort manchmal noch herum und hinterlassen hier und da ein Kommentarblümchen, das ist schön. Und manchmal gebe ich auch jemandem den Schlüssel, der nicht dabei war. Das werde ich auch weiter so halten. Denn Valentinas Geschichte sollte eigentlich der ganzen Welt zugänglich sein. Nur bin ich bisher einfach nicht mutig genug, diese Tür einfach ganz zu öffnen.
Wer aber gern hinein möchte, der möge sich bei mir melden.

Béla Löwenherz 2.0

Nun möchte ich schon lange den Raum von Béla Löwenherz wieder mit neuem Leben füllen.
Denn mit Béla gehen wir ja weiter, es gibt Geschichten zu erzählen, immer weiter gilt es Barrieren abzubauen, das Schöne zu teilen, das Béla in unsere Welt bringt, vielleicht auch die Sorgen und Ängste, die wir um ihn haben.. Es wäre wichtig und gut. Die "alte" homepage hat ein ungünstiges Format und so bin ich ja ganz motiviert "neu" bei blogger gestartet.
Es ist eigentlich alles ganz klar, nur finde ich meine Sprache nicht so richtig wieder.

Ich kann nicht zurückkehren zu der Zeit vor Valentinas Haus. Ich muss mich neu finden. Wie schreibe ich, wenn ich ganz öffentlich schreibe? Was gebe ich preis und was nicht?
Es muss ein neuer Weg sein. Offener und persönlicher als früher und dennoch vorsichtiger als zuletzt.
Ich taste mich vor. Dieses hier ist ein Schritt.